Ich gebs gleich von Beginn weg zu: Ich habe eine Vorliebe für Comics. Während ich hierzulande eher dafür belächelt werde, ist das in Belgien das Normalste der Welt. „Wie du magst keine Comics?“, wäre in Belgien wohl die erstaunte Frage an den Durchschnittsschweizer.
Die Liebe zu Comics habe ich von meinen Eltern mitgekriegt. In der ganzen Wohnung verstreut lagen die Hefte rum. Die Abenteuer von Lucky Luke und Asterix & Obelix waren die Klassiker bei uns zu Hause, aber auch Marvels Superhelden und der Wilde Westen waren gut vertreten. Was Comics anbelangte, gab es kaum Grenzen.
Aus diesem Grund habe ich mich auch ganz besonders auf meinen Besuch in Brüssel gefreut. Brüssel kann sich mittlerweile mit einigen Titeln schmücken und da gehört auch der von der „Hauptstadt der Comics“ dazu. Dieser Titel passt wunderbar, da es buchstäblich an jeder Ecke Comics zu finden gibt.
Wieso aber, sind ausgerechnet in Belgien die Comics so erfolgreich?
Comics gibt es schon seit jeher. Schon die ersten Höhlenbewohner haben sich durch Zeichnungen an den Wänden ausgedrückt, wenngleich diese kaum als Comics zu bezeichnen sind. Die Kunst des Comics wurde aber eigentlich durch einen Mangel an Ausdruck erfunden. Wer nicht Lesen und Schreiben konnte, wollte sich trotzdem mitteilen können. Also wurde gemalt.
Im Mittelalter haben Mönche die heiligen Texte gezeichnet und so den Comic erfunden. Mit der Erfindung des modernen Buchdrucks, wurden die Comics für die breite Masse zugänglich und war bald nicht mehr wegzudenken. In den Tageszeitungen gehörte der Comic Strip fest dazu und die ersten Verlage machten die Kunst immer populärer.
Die Belgier erklären ihre Faszination für Comics unter anderem damit, dass das Land immer wieder besetzt worden ist und die Comics oft die einzige Möglichkeit waren, sich auszudrücken. Ausserdem ist in einem Land in dem Niederländisch, Französisch und Deutsch als Nationalsprache gelten, die Kommunikation durch Comics der kleinste gemeinsame Nenner.
Obwohl Japan und Amerika heute den Belgiern die Führung in Sachen Comics abgelaufen haben, ist die Neunte Kunst nach wie vor sehr populär und gehört in Belgien zum festen Alltag. Hast du gewusst, das Klassiker wie Lucky Luke, Tim & Struppi oder Die Schlümpfe alle aus der Feder von belgischen Künstlern stammen? Auch Gaston und Spirou & Fantasio haben ihre Wurzeln in Belgien.
Der Comic Walk in Brüssel
Was also liegt näher, als Brüssel auf dem Comic Walk zu erkunden. Gesagt getan. Bereits beim planlosen Rumstreunern kommt man in der Stadt immer wieder an den Streetart Bildern vorbei. Für alle die etwas mehr Organisation brauchen, gibts bei der Touristeninformation auf dem Grand-Place für einen Euro eine Stadtplan speziell um die Comic-Kunstwerke zu besuchen.
Die ganze Route abzulaufen, dauert gemäss der Dame der Touristeninformation geschätzte 2-3 Stunden. Das tolle an diesem Weg ist, dass er zwar in erster Linie an den mit Comics bemalten Häuserfassaden entlang führt, jedoch auch sonstige Highlights Brüssels nicht aussen vor lässt.
Der Rundgang wurde bereits 1991 von der Stadt Brüssel zusammen mit dem belgischen Comic-Zentrum entworfen und mittlerweile gibt es über 50 Standorte in der Stadt.
Ich starte den Rundgang direkt am Grand-Place und entdecke ganz in der Nähe bereits Tim & Struppi. Die Szene stammt aus „Der Fall Bienlein“. Tim & Struppi wurden von Hergé, einem der bekanntesten Comic-Autoren Belgiens zum Leben erweckt, welcher die Comic-Kultur in Europa mit seinem Stil der Ligne claire, der klaren Linie, zum Leben erweckt hat.
Und schon führt mich der Rundgang am bekanntesten Wahrzeichen Brüssels vorbei, dem Manneken Pis, auch le Petit Julien genannt. Der kleine, pissende Mann aus 1619 ist mittlerweile eine Berühmtheit und hat über 850 Kostüme, in welcher er bei passender Gelegenheit gekleidet wird.
Bei Länderspielen trägt er das Trikot der Fussballnationalmannschaft, in der Weihnachtszeit kommt er im Nikolauskostüm daher und am Welt-Aids-Tag wird er mit Kondomen bestückt. Der Mannken Pis hat mittlerweile mit Jeanneke Pis ein weibliches Gegenstück und die tierische Version davon gibts mit dem Hund Zinneke Pis.
Auch die teils grausamen Bubenstreiche von „Klein Albert“ im Brüssel der Nachkriegszeit, sind auf einer Hausmauer verewigt. Diese wurden von Yves Chaland erschaffen, welcher leider bereits mit 33 Jahren verstorben ist.
Für die Wochenzeitung „Spirou“, hat der Belgier Roger Leloup Anfang der 70er Jahre eine der ersten Comic-Frauen eine eigene Reihe gewidmet. Yoko Tsuno, eine japanische Elektronikspezialistin, erlebt ihre Abenteuer auf der Erde und im Weltraum und ist mindestens so mutig, wie die männlichen Comic-Helden.
Beziehungen, Freunde, Depressionen & Alltagstrott – mit den autobiographisch gefärbten Geschichten rund um Monsieur Jean, schafft das französische Comic-Duo von Philippe Dupuy und Charles Berberian einen Einblick ins alltägliche Leben des Schriftstellers in Paris.
Ein Glück, dass Kommissar Bourdon und vor allem Rick Master in der Nähe sind. Denn Nadine wird von einem Bösewicht mit einem Messer bedroht! Der findige Journalist überlistet die grössten Scharlatane und die gefährlichsten Irren.
Die allererste Comic-Fassade wurde im Juli 1991 dem Brüsseler Autor Frank Pé gewidmet. Jonas Valentin, das Alter Ego von Pé, ist eine empfindsame Seele und ein leidenschaftlicher Träumer.
Die minutiösen und klaren Zeichnungen stammen aus der Feder des belgischen Zeichner Francis Carin und zeigen Victor Sackville. Dieser reist als Spion seiner königlichen Majestät rund um die Welt und erlebt einige Abenteuer.
Mystisch gehts bei dieser Fassade zu und her. In „Die geheimnisvollen Städte“ beschwören François Schuiten und Benoît Peeters eine Parallelwelt zwischen Brüssel und Brüsel herauf. Ist diese Fassade einer der geheimen Durchgänge zwischen den Welten?
Dies sind nur einige Beispiele der über 50 verschiedenen Kunstwerke, die in der ganzen Stadt verteilt sind. Ich kann den Comic-Walk mit dem entsprechenden Stadtplan wärmstens empfehlen.
Besuch im Comic Strip Museum
Brüssel steht bei mir ganz im Zeichen der Comics. Nachdem ich all die wunderbaren Zeichnungen an den Häuserfassaden bestaunen durfte, will ich noch mehr wissen. Wer hat diese Zeichnungen gemacht? Wie ist die Geschichte dahinter? Und was muss ich über die grossen Illustratoren Belgiens wissen?
Was liegt da näher als ein Besuch im Comic Museum. Dieses befindet sich an der Rue des Sables und ist eines der ersten Meisterwerke von Victor Horta im Jugendstil.
Im Innern gibt es wahrscheinlich alles, was du jemals zu Comics wissen wolltest. Wie kommt eine Idee zustande? Wie wird diese skizziert? Und das interessanteste: Welche Stilrichtungen gibt es eigentlich?
So sehr ich Comics mag, allzu viel Gedanken über die Stile habe ich mir noch nie gemacht. Ich kann zwar die groben Stilrichtungen auseinanderhalten, aber das wars auch schon. Wie detailliert diese unterschieden werden, ist interessant. Von Graphic Novels, zu Heroic Fantasy, über Realistische Comics bis hin zu Erzieherischen Comics gibt es noch viele Stile mehr.
Es wird aber nicht nur die Entstehung und die Geschichte der Comics behandelt. Natürlich gibt es zu den grossen belgischen Künstlern auch Sonderausstellungen. So kann Hergé mit seinem Tim & Struppi ebenso bestaunt werden wie Peyo mit seiner grössten Kreation, den Schlümpfen. Es gibt aber auch weitere Künstler und deren Werke zu sehen, Wechselausstellungen sowie eine Galerie der aktuellen Künste.
Viel zu schnell ist so ein Tag rum, denn gäbe es noch so vieles zu sehen. Brüssel und seinen Comic-Helden könnte ich locker zwei Tage widmen – hätte ich denn einen zweiten Tag in dieser Stadt. Dann muss dieser also bis zum nächsten Mal warten. Zu entdecken gibt es nämlich noch so einiges. Hier einige Vorschläge inkl. weiterführenden Links:
- Der Comic-Walk in Brüssel, welchen es auch als geführte Tour gibt
- Das Comic Strip Museum
- Das Hergé Museum
- Das Moof, Museum der Comicfiguren
- Das Brüsseler Comic Dorf
- Das Comic Strip Festival, welches jeweils im September in Brüssel stattfindet.
- Schau in einem der vielen gutsortierten Comics-Shops vorbei und kaufe dir dein Lieblingsexemplar.
Tipp: Schaue dir die Konditionen der Brussels Card an. Je nach Wahl hast du 24/48 oder 72 Stunden freien Eintritt in Museen, Ermässigungen auf Attraktionen und in vielen Shops.
Und warum werden die Comics eigentlich als die Neunte Kunst bezeichnet?
Unter den klassischen Kunstformen sind Malerei, Bildhauerei, Zeichnung, Grafik und Architektur zu finden. Später kamen Fotographie, Fernsehen und Film hinzu. Dem französischen Literaturwissenschaftler Lacassin ist es zu verdanken, dass 1971 die Comics einen Eintrag in der französischen Enzyklpädie „Grande Encyclopédie Alphatbetique Larousse“ erhalten haben. Diese wurden dort als die Neunte Kunst festgelegt, was sich darauf hin international durchsetzen konnte.
Bist auch du von Comics begeistert? Welches ist dein liebstes Comic?
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**Diese Reise wurde mir durch Visit Flanders ermöglicht, welche aber keinen Einfluss auf mein Programm in Brüssel hatten. Ich bedanke mich herzlich für die Einladung. Meine Meinung ist und bleibt natürlich meine eigene.**